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Zukunftsvorhersager - Hüter von Gedankentrampolinen oder von Schrebergärten?

Heute leuchte ich ins Geschäft mit den Zukunftsvoraussagen im Business hinein.

 

Im deutschsprachigen Raum ist es z.B. das Zukunftsinstitut, das fantasiert, wie wir bald leben werden. Aber auch die bekannte, internationalen  Beratungsgesellschaften wie McKinsey oder Accenture nutzen die Sehnsucht nach Zukunftsklarheit für sich. Der Markt ist voll von Berichten und Analysen über die nächsten Technologie , Gesundheits-, Bildungs- , Mobilitäts-Trends , meist jetzt für das magische Jahr 2030, also gedachte zehn Jahre in die Zukunft von heute.

 

Womit werden dann tatsächlich Firmen wie der globale Handelsriese Amazon oder der Einzelunternehmer-Bäcker um die Ecke ihr Geld verdienen? Die Zukunftsgeschichte, die erzählt werden, können die Wirklichkeit in 10, 20 oder 75 Jahren nicht dingfest machen.

  

Zukunftsszenarien bauen ist eine Zauberformel für die Nase vorn haben geworden: eher wissen als Andere, was auf uns zukommt und schon Pläne haben, wir uns in der zukünftigen Hölle oder dem Himmel platzieren können – die Vorstellungskraft darüber soll den Wettbewerbsvorteil gegenüber bisherigen und zukünftigen Konkurrenten sichern. Wer als Firma eine attraktive Zukunftsprognose vorweisen und erzählen kann, der hat Investoren und Kunden auf seiner Seite.

 

Statt, wie noch in früheren Jahrhunderten modisch, zum Astrologen zu gehen und zu fragen, wie die Sterne die Zukunft des Unternehmens beeinflussen werden, geht man heute zum Zukunftstrendleser und fragt, welche Richtung sich abbildet, für die Art und Weise, in der wir in Zukunft essen, schlafen und lieben.

 

Ich picke ein besonderes Genre der Zukunftsvorhersage heraus. Die Science Fiction basierte Vorhersage.

 

In den USA hat sich Ari Popper mit seiner Firma Scifi Futures mit diesem Blick auf unsere globale Gesellschaft und Ökonomie erfolgreich etabliert. Er hat schon mit den Verantwortlichen der NATO (eine politisch-militärische Allianz) gearbeitet. Science-Fiction, die technisch wissenschaftlich verliebte Beschreibung der Zukunft, wurde bemüht, um die Kriegsführung der Zukunft zu erfinden.

 

Wer Science-Fiction denkt, liest und schaut, um sich zu vergewissern, dass der Horror der Aussichtslosigkeit noch nicht im Alltag angekommen ist, dass der Schrecken wenn noch in weiter Ferne liegt, die/ der braucht das Genre wie eine Verhaltens-Absolution. In der Science-Fiction, in der aktuelle Zustände in ein negatives Extrem geführt werden, sterben die Bösen - Ende gut, alles gut! Es gibt kein Verbrechen, kein Elend, kein Chaos, das gefürchtet werden muss.

 

Wer Sci-Fi wie einen Heimatfilm versteht, die/der feiert sentimental bis exstatisch das Paradies der Technologiesprünge. Der Warp Antrieb, der Tricorder, der Gesundheitspod, der emotionale Roboter werden Glanzlichter der Wirtschaftsentwicklung, so wie Nylon, die Anti Babypille und Wolkenkratzer zuvor, als Trophäen des Fortschritts gelten. Im Berufsnetzwerk LinkedIn hat sich gerade die Gruppe Digital People gegründet, um das Beste des Menschen in den Roboter packen. Auch wenn wir versagen und stecken bleiben, die geschaffenen Produkte bleiben großartig. Die Zukunft verendet hier in Hollywoodfilm-Schnulzigkeit.

 

Dann gibt es da noch die, die mit Sci-Fi im Kopf eine Befreiung träumen, entwerfen und planen. Weder Paradies noch Hölle werden vorhergesagt, sondern die Chance, dass wir ruhig und wild leben. In uns und miteinander. Dieser Umgang mit Zukunft ist vergleichbar damit, dass man sich einen Handstand Überschlag beim Sporteln traut. Das Denken oszilliert zwischen gewöhnlich und extra-ordinär, zwischen einfach und sau-schwer. Seine Utopie vermeidet das Entweder Oder. Bei diesem Flirt mit technisch wissenschaftlichen Sehnsüchten werden keine tyrannischen Produkte und hinterhältige Dienstleistungen heraufbeschworen und salonfähig gemacht.

  

Weil un-vorher-be-stimmt sein auf das perfektionsgeschwängerte, moderne Denken und Handeln viel zu erlöst und unbelastet wirkt, möchte der business mainstream lieber ein bisschen schaukeln und sich nicht überschlagen.

 

Science-Fiction Geschichten als Methode, um weder an der Gegenwart zu verzweifeln noch sie blauäugig zu idealisieren. Prima. Zukunftsfestlegung mit Sci-Fi oder anderen Methoden betreiben?  Na, du schon wieder, Optimierungswahn. Sie stecken mit dir sogar die Zukunft in eine Zwangsjacke.

 

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